31.03.2020

COVID-19: Deutliche Erleichterungen im Insolvenzrecht

Ausgangspunkt

Bei Zahlungsunfähigkeit oder bilanzieller Überschuldung sind die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person nach § 15a Insolvenzordnung verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Verstöße werden strafrechtlich geahndet. Zudem machen sich Geschäftsführer von GmbHs nach § 64 GmbH schadensersatzpflichtig, wenn sie trotz Bestehens eines Insolvenzgrundes Auszahlungen tätigen (gleiches gilt u.a. auch für Vorstände einer AG, § 92 Absatz 2 Satz 1 des Aktiengesetzes).

In der jetzigen Situation würde dies dazu führen, dass Geschäftsführer und Vorstände zur Stellung von Insolvenzanträgen gezwungen wären, obwohl die besonderen Umstände nur temporär bestehen bzw. ggf. auch durch staatliche Hilfsmaßnahmen überbrückt werden können. Besonders hart kann dies Organe von Krankenhausgesellschaften treffen, die zwar unter den sogenannten Rettungsschirm fallen,  übergangsweise aber gleichwohl von Insolvenzantragsgründen betroffen sein können. Auch für andere Unternehmen, die in dieser Woche bereits Anträge auf staatliche Unterstützungsmaßnahmen gestellt haben, stellt sich das Problem. Denn wie schnell die Anträge abgearbeitet werden können und wann die Finanzhilfen bei den Unternehmen ankommen, ist gegenwärtig noch unklar.

COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG

Vor dem Hintergrund reagierte der Gesetzgeber. Der Bundestag beschloss am 25.03.2020 das COVInsAG zur generellen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 und zur Begrenzung der  Organhaftung bei einer COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz. Der Bundesrat billigte den  Gesetzesbeschluss am 27.03.2020. Das Gesetz tritt rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft. Der Aussetzungs-Zeitraum kann per Verordnung bis zum 31.03.2021 verlängert werden.

Beruht die Insolvenz nicht auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie oder besteht keine Aussicht auf Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, gilt die Aussetzung der Pflichten nicht. Nach § 1 COVInsAG greift jedoch eine großzügige und sinnvolle Vermutung zugunsten der betroffenen Unternehmen:

„War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.“

Eine weitere Hilfestellung bietet § 3 COVInsAG, wonach bei von Gläubigern gestellten Anträgen der Insolvenzgrund bereits am 01.03.2020 vorgelegen haben muss.

Ferner gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen (insbesondere Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes dienen) als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Zudem gilt die bis zum 30. September 2023 (!) erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite als nicht gläubigerbenachteiligend. Dies gilt auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht aber deren Besicherung.

Zudem wird die Möglichkeit insolvenzrechtlicher Anfechtung von Befriedigungen bzw. Besicherungen für Gläubiger deutlich eingeschränkt.

Fazit – Praxishinweise

Das COVInsAG entlastet von der Pandemie betroffene Unternehmen – spiegelbildlich zu den sonstigen staatlichen Hilfsmaßnahmen – konsequent auch im Hinblick auf die insolvenzrechtlichen Pflichten. Dies gilt vor allem für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit, für die eine großzügige Stichtagsbetrachtung zum 31. Dezember 2019 gilt. Auch bei aktuell bis zum 30. September 2020 eintretender Überschuldung besteht grundsätzlich keine Insolvenzantragspflicht.

In der Praxis wird die Zahlungsunfähigkeit häufig am Monatsende durch die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Gehaltszahlungen an die Arbeitnehmer ausgelöst. Beides wird mittlerweile ebenfalls abgefedert. So können Sozialversicherungsbeiträge auf Antrag gestundet werden, und die Möglichkeiten, Kurzarbeitergeld beantragen zu können, wurden erweitert.

Die Aussetzung betrifft nur die Insolvenz-Antragspflicht. Möglich bleibt selbstverständlich ein „freiwilliger“ Antrag auf Einleitung der Insolvenz.

Dr. Markus Steinmetz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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