09.02.2016

Entscheidung der höchsten Instanz:
Ärzte, Apotheker und Rechtsanwälte dürfen sich zusammenschließen

Mit seinem Beschluss vom 12.01.2016 (Az. 1 BvL 6/13) ebnet das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Ärzten, Apothekern und Rechtsanwälten den Weg, künftig unter einem Dach und aus einer Hand Dienstleistungen anzubieten.

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Sozietätsverbot des § 59a BRAO verfassungswidrig

Nach § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) dürfen sich Rechtanwälte lediglich mit Patenanwälten, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zu einer gemeinschaftlichen Berufsausübung zusammenschließen. Der Gesetzgeber begründet dieses Verbot, sich mit Angehörigen anderer Berufsgruppen zusammenzuschließen, insbesondere mit der Verschwiegenheitspflicht und den damit einhergehenden Aussageverweigerungsrechten. Das Verbot stehe im Interesse einer funktionsfähigen Rechtspflege und die Unabhängigkeit des Rechtsanwaltes zu gewährleisten.

§ 23b Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BOÄ) dagegen gestatten Ärzten ausdrücklich die berufliche Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe, solange keine Heilkunde am Menschen ausgeübt wird.

Das BVerfG erklärte nun § 59a BRAO für verfassungswidrig, soweit es Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärzten und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt.

Das BVerfG erkennt einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz (GG). Eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern und Rechtsanwälten enthalte keine wesentlichen Risiken für die anwaltlichen Berufspflichten. Ärzte und Apotheker seien ebenso zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht sei bei allen genannten Berufsgruppen in § 203 StGB unter Strafe gestellt und ein Aussageverweigerungsrecht – strafprozessual wie zivilprozessual – bestehe ebenfalls bei allen genannten Berufsgruppen. Und zudem wisse der Mandant, wenn er einen Rechtsanwalt einer solchen Partnerschaftsgesellschaft beauftrage, dass nicht nur Rechtsanwälte, sondern auch Ärzte und Apotheker dort tätig sind.

Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung nimmt zu einem konkreten Fall Stellung, weshalb es bis zur Umsetzung in der allgemeinen Praxis noch einige Zeit dauern kann. Aber die Entscheidung ist zu begrüßen und wegweisend; sie war aber auch erwartet worden.

Eine im Bedarfsfall interprofessionelle Zusammenarbeit ist bereits seit längerem Standard der anwaltlichen Tätigkeit. Ob es darüber hinaus nun häufig auch zu Zusammenschlüssen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene kommen wird, bleibt abzuwarten. Der Markt wird es zeigen, eine Gefährdung des Mandantenwohls ist hier jedenfalls nicht erkennbar.

Ein gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluss zwischen Rechtsanwälten und anderen freien Berufen, wie Architekten, Journalisten oder Künstler, dürfte dagegen auch weiterhin verboten bleiben. Denn diese Berufsgruppen unterliegen keiner beruflichen Schweigepflicht. Die Kernpflicht der Tätigkeit als Rechtsanwalt ist hier berührt und gefährdet. Das Mandanteninteresse spricht somit klar gegen einen solchen Zusammenschluss. Einer interprofessionellen Zusammenarbeit auf reiner Arbeitsebene steht aber auch hier nichts im Wege.

Dr. Konrad Maria Weber, Rechtsanwalt

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