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07.07.2017

Arbeitgeberweisungen müssen nicht mehr befolgt werden?

Mit Beschluss vom 14.06.2017 (10 AZR 330/16) deutet der 10. Senat diese Ansicht an

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Sachverhalt

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum an einen anderen Standort versetzen durfte. Der Arbeitnehmer kam dieser Weisung nicht nach. Es folgte die Kündigung. Der Arbeitnehmer erhob u.a. Klage mit dem Antrag, dass er nicht verpflichtet war, der Weisung nachzukommen.

Die Vorinstanzen stellten fest, dass die Weisung unbillig und deshalb unwirksam ist. Der Arbeitnehmer musste sie deshalb nicht befolgen. Der 10. Senat des BAG möchte offenbar diese Entscheidungen bestätigen, sieht aber eine Divergenz zum 5. Senat. Deshalb erfolgte mit Beschluss vom 14.06.2017 die Anfrage an den 5. Senat.

Fragestellung

Die Divergenz besteht in der Frage, ab wann der Arbeitnehmer sich einer nicht rechtmäßigen (unbilligen) Weisung verweigern darf.

Der 5. Senat ist der Ansicht, dass eine unbillige Weisung nur unverbindlich, nicht aber nichtig ist. Dieser feine Unterscheidung hat große Wirkung. Denn erst wenn rechtskräftig festgestellt wurde, dass die Weisung nicht vom Arbeitsvertrag gedeckt ist, darf der Arbeitnehmer die Weisung übergehen. Wenn der Arbeitnehmer stattdessen sich über die Weisung hinwegsetzt, riskiert er damit den Bestand seines Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG, 22.02.2012 – 5 AZR 249/11). Diese Ansicht führt dazu, dass der Arbeitnehmer zunächst die Weisung befolgen muss und der Arbeitgeber damit Fakten schaffen kann.

Der 10. Senat ist anderer Auffassung. Er schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an, die ausdrücklich von der Rechtsprechung des 5. Senates abweichen. Denn diese führe zu einer unangemessenen Risikoverlagerung zu Lasten des Arbeitnehmers. Zudem sehe das Gesetz keine Bindung an einer unbilligen Weisung vor. Der 10. Senat möchte deshalb die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht (auch nicht vorläufig) folgen muss.

 Bewertung

Die Befürchtungen des 10. Senats, dass ansonsten der Arbeitnehmer schutzloses Gestaltungsopfer des Arbeitgebers wäre, sind nicht gerechtfertigt.

Denn der Arbeitnehmer ist nicht schutzlos und könnte bei besonders einschneidenden Weisungen auch eine einstweilige Verfügung erheben. Rechtsschutz ist somit schnell zu erreichen. Zudem wäre eine Änderung der Rechtsprechung auch höchst gefährlich. Es hat zwar einen gewissen Charme, dem Arbeitnehmer ein Recht zur Weigerung zuzugestehen, unbillige Weisungen nicht befolgen zu müssen. Aber im Umkehrschluss bedeutet das zwangsläufig auch, dass dem Arbeitnehmer ebenso nicht vorgeworfen werden kann, wenn er rechtmäßige Weisungen nicht befolgt, solange er im guten Glauben war, die Weisungen waren unbillig. Denn ob die Weisung rechtmäßig war oder nicht, wird – in welcher Konstellation auch immer – stets erst am Ende eines längeren Rechtsstreites feststehen. Damit könnte ein Arbeitnehmer praktisch jede Weisung unterlaufen werden, weil der Arbeitgeber diese aufgrund des Rechts zur Weigerung nicht mehr durchsetzen kann.

Deshalb bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der 5. Senat antwortet.

  • Dr. Konrad Maria Weber
    Rechtsanwalt, Partner T +49.89.2000 568 60 / +49.40.539 323 180
    konrad.weber@es-law.de

Mit Beschluss vom 14.06.2017 (10 AZR 330/16) deutet der 10. Senat diese Ansicht an

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