18.08.2016

Sektoruntersuchung bei Krankenhäusern – Was ist zu beachten?

Das Bundeskartellamt (BKartA) hat eine Sektoruntersuchung im Bereich des Krankenhaus-wesens eingeleitet. Verschiedene Unternehmen haben bereits umfangreiche Auskunftsersu-chen erhalten. Es stellt sich die Frage: Was haben Unternehmen, die im Bereich akutstatio-närer Krankenhausbehandlungen tätig sind, zu beachten?

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Die Sektoruntersuchung des BKartA wirft sowohl für die Unternehmen, die bereits ein Auskunftsersuchen erhielten, als auch für solche, die (noch) keines erhalten haben, verschiedene Fragen auf. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über Gründe und Ziele der Sektoruntersuchung, sowie über mögliche Folgen für Unternehmen in dem Sektor bieten.

1. Was ist eine Sektoruntersuchung?

Das BKartA darf einen Sektor untersuchen, wenn Anhaltspunkte die Vermutung nahelegen, dass der Wettbewerb im Inland möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist (vgl. § 32e GWB). Dazu kann das BKartA von den betreffenden Unternehmen und Vereinigungen Auskünfte verlangen, insbesondere die Unterrichtung über sämtliche Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen.

Ziel des Auskunftsverlangens ist es, Informationen zu sammeln, um wettbewerbliche Fehlentwicklungen zu erkennen und zu beseitigen.

Das Auskunftsverlangen kann zur Einleitung von Bußgeldverfahren gegen einzelne Unternehmen bzw. zu veränderten Verfolgungsprioritäten führen.

2. Warum gerade der Krankenhaussektor und warum gerade jetzt?

Der Krankenhaussektor war in den letzten Jahren durch eine starke Konsolidierung und Privatisierung geprägt. Zudem war ein Anstieg verschiedener Formen der Zusammenarbeit (z.B. Kooperationen bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen, wechselseitige Spezialisierungen, und gemeinsame Entwicklung neuer Verfahrensweisen) zu verzeichnen, welche auch kartellrechtlichen Beschränkungen unterliegen.

Im Gesundheitswesen dient das Kartellrecht vor allem dazu, den Qualitätswettbewerb zu sichern. Das BKartA hat die Konsolidierungsprozesse dabei nicht uneingeschränkt positiv gewertet und verweist auf das starke Wachstum privatwirtschaftlicher Unternehmen, den Rückgang der Einzelkrankenhäuser, den Zusammenschluss zu regionalen Verbünden und die Existenz weniger bundesweit aktiver Unternehmen.

3. Welche Geschäftspraktiken stehen im Fokus der Sektoruntersuchung?

Gegenstand der Untersuchung sind, neben der Marktstruktur, die Steuerungsmöglichkeiten der Krankenhäuser im Rahmen der bestehenden Regulierungen, die Methoden der Krankenhäuser, sich durch ihr Leistungsangebot und durch Spezialisierungen vom Wettbewerb abzuheben, sowie die Rolle des medizinischen Personals und einweisender Ärzte.

Aus unserer Sicht ist außerdem mit weiteren Themen zu rechnen, wie z. B.:

  • Verstöße gegen das GWB im Nachgang zu erfolgten Fusionen/Übernahmen,
  • Verstöße gegen das GWB im Rahmen von Kooperationen bei der Leistungserbringung oder bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen,
  • Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen von Liefer- und Dienstleistungsverträgen,
  • Verstöße gegen das Vergaberecht, vor allem im Zusammenhang mit Kooperationen im ambulanten Bereich.

 

4. Wie läuft eine Sektoruntersuchung ab?

Das BKartA hat in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Auskunftsverlangen an Unternehmen geschickt, weitere werden folgen.

Regelmäßig erfolgen nach einer ersten Auswertung ein Zwischenbericht und die Einholung anschließender Stellungnahmen. Mit einem Abschlussbericht ist – orientiert an früheren Sektoruntersuchungen – erst in einigen Jahren zu rechnen. Eine Pflicht zur Veröffentlichung eines solchen Berichts besteht allerdings nicht.

5. Was kann im Rahmen der Untersuchung passieren?

a) Ermittlungsbefugnisse des BKartA

Zu den Ermittlungsbefugnissen des BKartA zählen die Einholung von Auskünften und die Herausgabe von Unterlagen. Mit Durchsuchungen ist grundsätzlich nicht zu rechnen, da Beschlagnahmen im Rahmen der Sektoruntersuchung nicht zulässig sind und Durchsuchungen damit regelmäßig keine geeignete Maßnahme darstellen.

Die Unternehmen haben einen Anspruch darauf, dass ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht unbefugt offenbart werden.

b) Rechtsschutzmöglichkeiten

Die Verfügung, mit der das BKartA die Untersuchung einleitet, kann nicht angefochten werden.

Gegen den das einzelne Unternehmen betreffenden Auskunftsbeschluss kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses Beschwerde eingelegt werden, § 63 ff GWB. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, sodass wir dazu raten, parallel einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 65 GWB zu stellen.

c) Mögliche Folgen der Sektoruntersuchung

Das BKartA kann jederzeit während oder nach der Sektoruntersuchung ein Verwaltungs- oder Bußgeldverfahren einleiten, wenn es ein Unternehmen des Verstoßes gegen das Kartellrecht verdächtigt.

Außerdem können die Ergebnisse der Sektoruntersuchung im Rahmen privater Ansprüche (z.B. Ansprüche auf Schadensersatz nach § 33 GWB) im Rahmen der Akteneinsicht relevant werden. Denkbar ist auch eine Beiziehung im Zivilverfahren nach § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

d) Weiteres

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen der Sektoruntersuchung auch Informationen mit beihilferechtlicher Relevanz weitergegeben werden. Dasselbe gilt für mögliche Verstöße gegen § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen). Das BKartA unterliegt keiner besonderen Schweigepflicht. Nach den Erfahrungen bisheriger Sektoruntersuchungen ist es aber nicht naheliegend, dass aufgrund der erhaltenen Informationen im großen Stil Verfahren eingeleitet werden.

e) Zusammenfassung

Zusammenfassend können Verstöße gegen das Kartellrecht regelmäßig erhebliche wirtschaftliche Folgen haben, insbesondere die Nichtigkeit betroffener Verträge, hohe Bußgelder, und Schadensersatzforderungen Dritter.

6. Was sollten Unternehmen beachten?

Unternehmen, die ein Auskunftsersuchen bereits erhalten haben, sollten die Fragen sorgfältig und innerhalb der vorgegebenen Zeiträume beantworten.

Die Erteilung von Auskünften/Übergabe von Unterlagen kann nicht deshalb verweigert werden, weil diese sich auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens erstrecken. Wir raten dazu, Dokumente mit Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen entsprechend zu kennzeichnen. Es bietet sich an, von Anfang an dem BKartA zusätzlich geschwärzte Kopien der Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die Dritten bei einer evtl. Akteneinsicht offenbart werden können.

Wir raten dazu, bestehende Geschäftspraktiken insbesondere kartellrechtlich und vergaberechtlich (im Bereich der öffentlichen Hand) zu prüfen, um ggf. bestehende Risiken frühzeitig zu erkennen und ihnen abzuhelfen – ehe das Kartellamt dies tut.

Dr. Harald Endemann, Rechtsanwalt, Partner

Telefon: +49 89 2000 568 10
harald.endemann@es-law.de

Diana Ferri, LL.M. (King’s College London), Rechtsanwältin

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