03.07.2017

BSG treibt Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebots auf die Spitze

Das BSG hat in einem Urteil vom 28.03.2017 (B 1 KR 29/16 R) erneut die Bedeutung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens hervorgehoben. Statt einer Entlassung des Patienten müsse immer die Möglichkeit der bloßen Beurlaubung vorrangig berücksichtigt werden.

PDF

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus nahm eine gesetzliche Krankenkasse auf Zahlung von Behandlungskosten in Anspruch. Die Klägerin hatte einen Patienten stationär aufgenommen, eine bösartige Neubildung der Niere diagnostiziert und als mögliche Therapie eine Teilresektion der Niere vorgeschlagen. Da der Patient sich erst noch eine Zweitmeinung einholen wollte, wurde er zunächst entlassen. Ca. 10 Tage später wurde er erneut aufgenommen und die Operation durchgeführt. Die Kasse zahlte nur den zweiten stationären Aufenthalt mit der Begründung, beide Aufenthalte seien als ein Behandlungsfall abzurechnen gewesen. Die Klägerin klagte den nicht vergüteten Teil der Behandlungskosten beim Sozialgericht erfolgreich ein. Die hiergegen eingelegte Berufung der Kasse blieb erfolglos. Das LSG führte aus, dass weder die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung noch einer Beurlaubung vorgelegen hätten.

Entscheidung

Das BSG hat diese Entscheidung aufgehoben und die Klage des Krankenhauses wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot abgewiesen. Der Patient hätte nicht entlassen werden dürfen, sondern beurlaubt werden müssen. Für eine Beurlaubung genüge es, dass der Therapieplan des Krankenhauses eine Wiederaufnahme in überschaubarer Zeit vorsehe. Es müsse – entgegen der Ansicht des LSG – nicht bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung feststehen, dass der Patient wieder aufgenommen werde. Hierbei sei unschädlich, dass die Wiederaufnahme von der Entscheidung des Patienten abhänge, und er seine Einwilligung in die Weiterbehandlung noch von einer weiteren Beratung durch andere Ärzte (Zweitmeinung) abhängig machen wolle. Selbst wenn der Patient den Aufenthalt tatsächlich abbrechen wolle, müsse er dokumentationspflichtig über die vorzugswürdige Möglichkeit der Beurlaubung aufgeklärt werden. Das BSG störte sich auch nicht daran, dass der in diesem Fall gültige Landesvertrag eine Beurlaubung ausschloss. Dies führe nicht zu einer Unzulässigkeit der Beurlaubung, sondern zur Nichtigkeit des Landesvertrages.

Konsequenzen

Wollen Krankenhäuser nicht Teile ihres Vergütungsanspruchs verlieren, müssen sie zukünftig bei jeder Entlassung eines Patienten prüfen, ob eine Wiederaufnahme indiziert sein könnte und die Beurlaubung als vorrangiges Vorgehen berücksichtigen. Es empfiehlt sich, diejenigen Gründe, die im Einzelfall gegen eine Beurlaubung sprechen, sorgfältig zu dokumentieren. Auch wenn der Patient ausdrücklich entlassen werden möchte, muss er über die Möglichkeit der bloßen Beurlaubung aufgeklärt werden und diese Aufklärung ebenfalls dokumentiert werden. Im Ergebnis erhöht die Entscheidung des BSG damit erneut die Hinweis – und Dokumentationspflichten.